Evaluation Schüler*labor

Die Schüler*labore der TU Berlin sind außerschulische Einrichtungen, an denen sich Schüler*innen im MINT-Bereich praktisch ausprobieren können. Wie wirkt sich die Teilnahme an einem Schüler*labor-Workshop auf die beruflichen Interessen der jungen Menschen aus?
Worum ging es?
Wir haben untersucht, wie sich die Teilnahme am Schüler*labor auf die beruflichen Interessen von Schüler*innen auswirkt – allgemein und besonders im informatischen Bereich. Hierfür haben wir im Fix-IT-Projekt mit dem Elektrotechnik- und Informatik-Schüler*labor der TU Berlin, dem dEIn Labor, zusammengearbeitet. Auch dieses Schüler*labor wird z. B. im Rahmen von MINT-Unterricht und Berufsorientierungsmaßnahmen jedes Jahr von zahlreichen Schüler*innen besucht (2700 Schüler*innen haben 2019 am dEIn Labor teilgenommen). Im Rahmen von Fix-IT wurden dort neue Informatik-Workshops nach einem berufsorientierenden und genderfairen Konzept aufgebaut. Wir wollten herausfinden, wie sich bei Schüler*innen berufsbezogene Interessen und Einstellungen durch die Teilnahme am Schüler*labor verändern.
Wie sah die Untersuchung aus?
Wir haben eine längsschnittliche Fragebogenstudie durchgeführt. Zu drei Zeitpunkten füllten die Schüler*innen den gleichen Papierfragebogen aus (vor dem Workshop, nach dem Workshop und ca. sieben Wochen später), sodass wir kurz- und mittelfristige Effekte untersuchen konnten. Um sicherzugehen, dass etwaige Veränderungen nicht nur altersbedingt geschehen, haben wir eine Kontrollgruppe in vergleichbarer Weise befragt, die keinen Workshop besuchte. Die Teilnehmenden waren in der 9.–13. Klasse und besuchten Berliner Integrierte Sekundarschulen, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Erhoben haben wir Daten über das Interesse (Interesse an beruflichen Tätigkeiten nach dem Holland-Modell, Interesse an beruflicher Zukunft in der Informatik, Interesse am Schulfach Informatik, Interesse an digitalisierten beruflichen Tätigkeiten), über Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Technik (d. h. Zuversicht, technische Probleme gut lösen zu können), zur Berufswahlkompetenz und zum Selbstbild bezogen auf Geschlechterrollen. Dadurch konnten wir die Wirkung der Teilnahme an Schüler*laboren auf Einstellungen und Interessen zu unterschiedlichen Bereichen untersuchen.
Was sind zentrale Ergebnisse?
Vorbemerkung: Teilnehmende, die als Geschlecht „weiblich“ ausgewählt haben, zeigten ein stärker feminin geprägtes Selbstbild; Teilnehmende, die als Geschlecht „männlich“ ausgewählt haben, zeigten ein stärker maskulin geprägtes Selbstbild. Daher werden für diese spezifische Stichprobe Ergebnisse mit Bezug auf binäre Geschlechterkategorien (Jungen, Mädchen) dargestellt.
In unseren Ergebnissen zeigten sich geschlechtsspezifische Muster: Jungen interessierten sich beispielsweise mehr für praktisch-technische (z. B. mit technischen Geräten bzw. mit Metall/Holz arbeiten) und intellektuell-forschende Tätigkeiten (z. B. etwas genau beobachten, Ursachen eines Problems erforschen). Mädchen interessierten sich eher für soziale (z. B. Personen pflegen, erziehen oder beraten) und künstlerische Tätigkeiten (z. B. Reportagen schreiben, Dinge schön gestalten). Mädchen gaben öfter als Jungen an, dass es ihnen wichtig ist, sich mit der beruflichen Zukunft zu beschäftigen. Jungen berichteten in allen erhobenen Interessensbereichen über ein größeres Informatikinteresse und größere Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Technik als Mädchen.
Die Schüler*innen waren insgesamt sehr zufrieden mit den Workshopbesuchen. Recht hoch war dabei das Kompetenzerleben – also der Eindruck, die Aufgaben und Experimente im Schüler*labor erfolgreich zu meistern. Je größer das Kompetenzerleben, das Autonomieerleben und der Alltagsbezug bei dem Besuch waren, desto zufriedener waren die Schüler*innen, wobei Kompetenzerleben am einflussreichsten für die Zufriedenheit war. Je höher der Alltagsbezug im Schüler*labor war, desto höher war das spätere Interesse an digitalisierten beruflichen Tätigkeiten und desto höher war das spätere Interesse an einer beruflichen Zukunft in der Informatik (zusätzlich war das Geschlecht der Befragten ein wichtiger Prädiktor). Je höher das Kompetenzerleben im Labor war, desto größer waren die späteren Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Technik (hier spielte ebenfalls das Geschlecht eine starke Rolle).
Wir konnten keinen allgemeingültigen Einfluss des einmaligen Schüler*laborbesuchs auf allgemeine Tätigkeitsinteressen und Informatik-Interessen im Besonderen feststellen. Hier lohnte es sich, die Fachrichtungen genauer zu betrachten: Im Gegensatz zu Informatik-Workshops zeigten sich bei Elektrotechnik-Workshops für verschiedene berufliche Tätigkeitsdimensionen des Holland-Modells positive Auswirkungen, jedoch nur mit einer kurzfristigen Wirkung. Während Jungen mit beiden Fachrichtungen gleich zufrieden waren und die eigene Kompetenz ähnlich erlebten, waren bei Mädchen sowohl die Gesamtzufriedenheit als auch das Kompetenzerleben in Elektrotechnik-Workshops deutlich höher als in Informatik-Workshops. Das Autonomieerleben war in Informatik-Workshops höher als in Elektrotechnik-Workshops. Die Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Technik sanken in der Kontrollgruppe über die Zeit ab, während sie in der Schüler*labor-Gruppe stabil blieben, was einen puffernden Effekt des Workshops andeutet. Besonders bei Mädchen fiel dieser auf, da die Kontrollüberzeugungen bei Mädchen in der Kontrollgruppe mittelfristig stärker sanken als in der Interventionsgruppe.
Das neue Fix-IT-Workshopkonzept führte noch nicht zu einer spezifischen Steigerung der Interessen. Da die Datenerhebung schon während der ersten Erprobungen des neuen Konzepts in nur zwei neuen Workshops gemacht wurde, wäre eine Nachevaluation empfehlenswert, sobald das Konzept tiefer integriert und auf weitere Workshops übertragen wurde.
Was ist das Fazit?
Es gibt Hinweise darauf, dass Schüler*laborbesuche bei jungen Menschen unter bestimmten Bedingungen Veränderungen bewirken. So gibt es z. B. Hinweise auf das Potenzial, durch Schüler*labore Tätigkeitsinteressen zu beeinflussen. Um jedoch eine größere und nachhaltigere Wirkung auf Berufsinteressen im informatischen Bereich zu erreichen, sind womöglich weitere Maßnahmen nötig. Die beobachteten Effekte waren auf wenige Bereiche beschränkt und zumeist nur von kurzer Dauer. Insofern gehen wir davon aus, dass für eine nachhaltige Interessensbildung eine erweiterte Form der Teilnahme nötig sein könnte. Hier können weitere Studien durchgeführt werden, z. B. zu mehrfachen, verbundenen Laborbesuchen, zur Vor- und Nachbereitung im Unterricht oder zur Verbindung mit Berufsorientierungsmaßnahmen. Wir betrachten Schüler*labore in jedem Fall als wichtigen Ort der beruflichen Orientierung, da sie für manche junge Menschen den ersten oder gar einzigen Kontakt mit unbekannten Themen, Tätigkeiten, Arbeitsumgebungen und Zielen ermöglichen und damit zur breiteren Chancenbildung und Inklusion beitragen. Es wurde ersichtlich, dass Kompetenzerleben, Autonomieerleben und Alltagsbezug wirkungsvolle Stellschrauben für Schüler*labor-Anbietende sein können. Offenbar ist es möglich, Mädchen mit Elektrotechnik-Kursen etwas besser anzusprechen als mit Informatik-Kursen (zumindest in der aktuellen Gestaltung). Darauf aufbauend ist zu überlegen, wo die wesentlichen Unterschiede liegen und was von den Elektrotechnik- auf die Informatik-Workshops übertragen werden kann (z. B. Feedbackformen, Aufgabenschwierigkeit, Unmittelbarkeit des Outputs). Die Informatikinteressen scheinen nach wie vor in dieser Altersgruppe maßgeblich mit dem Geschlecht zusammenzuhängen, was die Notwendigkeit frühzeitiger Maßnahmen bestätigt.
Ich möchte mehr erfahren.
Sobald eine wissenschaftliche Publikation zu dieser Studie veröffentlicht ist, finden Sie hier den Zugang. Haben Sie weitere Fragen zu unserer Studie? Dann melden Sie sich bitte bei Dr. Jan Pfetsch (Fachgebiet Pädagogische Psychologie, Technische Universität Berlin): jan.pfetsch@tu-berlin.de